Im vierten Teil meines Reiseberichts zum Arbeitseinsatz im Tierheim Asociatia Anima im rumänischen Campulung habt ihr erfahren, warum Parvovirose für Welpen so gefährlich ist und wie wir den Lagerraum anfingen zu sortieren. Heute geht´s weiter mit meinen Erfahrungen beim rumänischen Tierarzt und ich will zeigen, wie wir die Spendengelder genutzt haben.
Weiterer Neuzugang
Tragische Geschichten gab es täglich, doch ein Hund der mich persönlich sehr beschäftigte, war dieser hier:
Er wurde (das muss man sich mal vorstellen!) von seinem Besitzer in einem Müllbeutel ins Tierheim gebracht. Er will ihn nicht mehr haben. Ist das zu fassen? Ich habe wirklich Verständnis für die Rumänen. Das Land ist arm und die Menschen haben richtig zu kämpfen. Wir Deutschen können uns gar nicht ausmalen, wie schlecht es vielen geht. Und das in Europa! Doch auch wenn ich mir darüber bewusst bin, dass es neben der Armut kulturell enorme Unterschiede gibt, kann ich sowas einfach nicht kapieren. Aber gut, damit muss ich leben. Man kann die Einstellung mancher Leute zu Hunden nicht von heute auf morgen ändern. Und um eines klarzustellen: Es sind ja nicht alle Menschen in Rumänien so. Das möchte ich klar betonen. Natürlich gibt es auch viele hundeliebe Menschen, die alles für ihre Schützlinge tun. Aber solche Leute sind dort eben wesentlich seltener als bei uns.
Aber grundsätzlich ist es mir natürlich 100 Mal lieber, der Besitzer bringt sein Tier ins Tierheim, als ihn einfach auf die Straße zu werfen oder schlimmeres. Immerhin hatte Derjenige noch so viel Anstand und gab dem hübschen Tier wenigstens eine zweite Chance. Ihr merkt, ich kann mich hier in Rage schreiben. Ich stellte mir vor, wie traumatisiert das Tier sein muss. Ich hätte heulen können… Aber das hätte natürlich weder dem Hund noch sonst irgendjemandem was gebracht. Also, krempelten wir die Ärmel hoch und weiter ging´s.
Da der Neuankömmling einen ziemlich aufgeblähten Bauch hatte, der sehr ungewöhnlich aussah, untersuchte Tierärztin Christine das Tier mit Hilfe von Elke, die ihn festhielt. Da wir den Hund nicht kannten und seine Reaktion nicht abschätzen konnten, bekam er einen Maulkorb angelegt. Sicher ist sicher.
Doch es stellte sich beim Abtasten heraus, dass der Bauch in Ordnung ist. Möglicherweise lag es am Stress und dass der Hund weder pinkeln noch koten wollte. Der Magen-Darm-Trakt musste daher ziemlich überlastet gewesen sein. Aber man konnte es nachvollziehen. Schließlich befand sich das Tier in einer fremden Umgebung, mit vielen anderen Hunden und musste zunächst in einer kleinen Box ausharren. Da hätte ich auch wenig Lust mich zu erleichtern. Der arme Hund saß völlig verstört in seiner Ecke und bewegte sich stundenlang nicht. Er beobachtete stattdessen sehr angespannt, was um ihn herum passierte. Wir warteten ab und hofften, dass sich der Bauch auf natürliche Weise normalisierte, sowie sein allgemeines Verhalten.
Tierarzt-Besuch: Beim Kastrieren live dabei!
Nachdem wir bereits einige Stunden im Lagerraum Ordnung geschafft hatten, fuhren Elke (1. Vorsitzende des Fördervereins), Christine (Tierärztin) und ich gemeinsam mit drei Hündinnen zum Tierarzt. Das Tierheim arbeitet eng mit dieser Tierarztpraxis zusammen, um die regelmäßigen Kastrationsaktionen durchzuführen. Dort werden auch erkrankte Tiere behandelt.
Wir nahmen neben den Hunden auch einige Spenden für den Tierarzt mit. Der freut sich wohl jedes Mal über das kostenlose Zubehör und ist froh um die finanzielle Entlastung. Auch die beiden OP-Tische in der Praxis, die man auf den kommenden Bildern sehen kann, stammen aus Deutschland.
Kurz nachdem wir beim Tierarzt ankamen, gab er den Hündinnen schon mal etwas zur Beruhigung. Wie man sieht, dösten die Damen fröhlich vor sich hin ; )
Während wir warteten, weil gerade noch ein anderer Hund mit Gips-Bein in Behandlung war, machte nebenan eine Ziege mit uns Bekanntschaft. Das hatte ich zuvor auch noch nie gesehen, eine Ziege in der Tierarztpraxis : ) Der Tierarzt musste auch gleich ihre Hinterlassenschaften wegputzen. Das arme Tierlein hatte ganz schön Panik glaub ich. Aber der Besuch war recht kurz, daher hoffen wir mal, dass es nichts Ernstes war.
Dann ging es los. Die erste Hündin kam auf den OP-Tisch und bekam ihre Narkose-Spritze. Christine half dem Tierarzt und fixierte das Tier.
Der Tierarzt hatte sichtlich Spaß bei der Arbeit ; ) Wir haben viel zusammen gelacht, obwohl die arme Hündin in dem Moment weniger amüsiert wirkte. Wobei… ihr Blick auf dem folgenden Foto ist schon etwas belustigend, muss ich zugeben. Aber hier muss keiner einen Schreck bekommen. Es sieht alles schlimmer aus, als es vielleicht auf den ersten Blick scheint. Die Hündin wird für die Kastration zunächst fixiert. Vorder- und Hinterbeine werden mit Schläuchen am OP-Tisch befestigt, damit der Tierarzt in Ruhe arbeiten kann und der Körper nicht verrutscht. In Deutschland sieht das vielerorts genauso aus. Anschließend wurde der Unterleib rasiert.
Die Spritze mit dem Narkosemittel blieb die ganze Zeit über angeschlossen. Sobald die Hündin Anstalten machte langsam wieder zu Bewusstsein zu kommen (das merkt man sofort, wenn das Tier leicht zu zucken begann), gab er etwas Narkosemittel nach. Grundsätzlich arbeitet er nach dem Motto: Nur so viel Narkosemittel wie nötig.
Was mich erstaunte war die Info, dass die Augen stets offen blieben. ich bin zunächst erschrocken, als ich begriff, dass der Tierarzt schon mit dem Operieren beginnt und die Augen der Hündin noch offen waren. Ich fragte dann, ob das denn normal sei und sie wirklich nichts spürt. Ich war mir da nicht so sicher und musste es genau wissen. Sonst kann man da ja nicht zuschauen! Aber ich wurde von allen Seiten beruhigt ; ) Kein Grund zur Sorge. Die Augen bleiben offen, der Hund spürt aber gar nichts!
Der Tierarzt entfernte die Eierstöcke vollständig und trug sie direkt an mir vorbei, um sie zu entsorgen. Ich hatte daher freien Blick darauf und war fasziniert von der Geschwindigkeit, mit der der Fachmann seine Arbeit erledigte. Qualitativ war das aber wohl keineswegs schlechter, als bei uns. Christine erklärte uns danach, dass sorgfältig gearbeitet wurde. Sie beobachtete das Geschehen auf dem OP-Tisch die ganze Zeit aufmerksam und erklärte mir auch immer wieder zwischendurch, was gemacht wurde. Manche Dinge, wie zum Beispiel die Desinfizierung des OP-Bestecks (wird in einem kleinen Hinterzimmer auf einem alten 2-Plattenherd abgekocht) wirkten auf den ersten Blick ziemlich kurios. Aber es sind im Grunde nur einfachere Methoden für Dinge, die in Deutschland so zwar nicht gehen würden, aber vielleicht auch nicht unbedingt besser sind. Aber da halte ich mich raus, da bin ich kein Experte dafür ; )
Es war wirklich super interessant und auch toll, dass ich dabei sein durfte. In Deutschland hätte ich diese Chance nicht bekommen. Spannend waren auch die Gespräche zwischen dem rumänischen Tierarzt und unserer Christine, ebenfalls Tierärztin. Christine wollte unbedingt dabei sein, wenn kastriert wird, weil sie sich selbst von dem Gerücht überzeugen wollte, dass der rumänische Tierarzt eine Kastration tatsächlich in 20 Minuten schafft. Elke übersetzte teilweise und den Rest erledigte das Schulenglisch. Und wir haben natürlich die Uhr gestellt und nicht schlecht gestaunt, als es tatsächlich nicht mehr als 20 Minuten dauerte. Der arme Tierarzt fühlte sich schon total kontrolliert, aber wir erklärten ihm, dass wir einfach nur wahnsinnig neugierig sind : D
Es gibt wohl tatsächlich einige markante Unterschiede in der Vorgehensweise zwischen Deutschland und Rumänien. Während in Deutschland eine Kastration gerne mal eine Stunde dauern kann, reichte hier eben ein Drittel von dieser Zeitspanne. Unter anderem liegt das daran, dass eine andere Art von Narkose und Operation angewandt werden. Das Ergebnis ist eine Einzelknopfnaht und die Hündinnen sind schon nach einer Stunde nach dem Eingriff wieder fit. Und genau das ist auch vorteilhaft in Campulung, da die Mitarbeiter keine Zeit haben sich stundenlang um ein operiertes Tier zu sorgen. Umso schneller die Hunde fit sind, desto besser. Natürlich nur soweit, wie es für die Patienten ohne Risiken bleibt. Doch auch die profitieren von einer schwachen Narkose, weil ihr Organismus sich wesentlich schneller erholt. Man könnte die Kastration in diesem Tierheim in Rumänien auch so zusammen: einfach aber wirkungsvoll!
Hier seht ihr das Ergebnis der Kastration:
Nachdem der Tierarzt seine Arbeit erledigt hatte und die drei Damen wach waren, separierten wir sie voneinander, damit sie sich vom Eingriff in Ruhe erholen konnten.
Übrigens: Laut den Aussagen der Experten, die bei dieser Kastrationsaktion dabei waren, werden die Tierärzte in Rumänien sogar besser ausgebildet als in Deutschland. Das fand ich echt erstaunlich, denken wir Deutsche ja immer bei uns sei alles besser ; )
Warum Kastrationen so wichtig sind
Das Beste daran ist, dass mit der Kastration (eine kostet in Campulung umgerechnet zwischen 15 und 18 Euro) von fünf Hündinnen langfristig die Geburt von hochgerechnet 200 neuen Welpen verhindert werden kann. Mit weniger als 100 Euro kann also schon ein großer Beitrag dazu geleistet werden, um die massenhafte Vermehrung von Straßenhunden einzudämmen. Eine großartige Sache.
Die regelmäßigen Kastrationsaktionen, diese finden in Campulung fast täglich statt, sind ein extrem wertvoller Beitrag in eine bessere Zukunft. Doch von allein finanziert sich das leider nicht. Der Tierarzt muss bezahlt werden, auch wenn er super Preise macht. Elkes Förderverein „Freundeskreis der Straßenhunde in Campulung e.V.“ muss die Kosten vollständig stemmen und das ist nicht leicht. Vor allem, wenn man nebenher (!!!) noch ein neues Tierheim realisieren muss, um die Hunde dauerhaft zu retten. An dieser Stelle daher ein extra Spendenaufruf: Bitte spendet für das neue Tierheim im rumänischen Campulung. Und wenn es nur 10 Euro sind, aber das Geld ist so dringend nötig. Die Baukosten sind enorm. Mehr Informationen zum Tierheimneubau gibt´s hier. Direkt spenden könnt ihr auf dieser Seite. Ich war dort und kann euch sagen, dass die Hunde schnellstmöglich umziehen müssen. Derzeit machen bereits die Stadt beziehungsweise die Eigentümer des alten Grundstücks Druck. Die Hunde müssen weg!
Abstecher bei Sorgenkind Cruella
Unserem armen Tropf Cruella, die ich am Vortag ja sorgfältig von Parasiten befreit hatte, ging es heute schon etwas besser. Nach dem Besuch beim Tierarzt nahm Christine sie wieder auf den Schoß, um ihr Wärme zu spenden. Sie sah heute schon wesentlich besser aus, obwohl die kleine Hündin insgesamt einfach extrem mitgenommen war. Mega verwahrlost. Aber wer weiß, wie lange sie schon im Müll gelebt hatte. Ihrem Zustand zufolge schon viel zu lang : (
Gefressen hatte sie an diesem Tag auch schon ein bisschen und sie wurde langsam vitaler. Auch ein anständiges Häufchen hatte sie gemacht, was auch ein gutes Zeichen ist. Wir waren alle erleichtert, dass es bergauf ging mit ihr : )
Neuzugang: 3 Welpen
Ich habe zwar gerade keine Fotos dazu, wollte aber trotzdem darauf hinweisen: Fast täglich kommen neue Hunde dazu, die im Tierheim abgegeben werden. An meinem zweiten Tag in Rumänien waren es zum Beispiel drei Welpen, weitere sollten folgen. Jeder zusätzliche Hund bedeutet mehr Futterbedarf, mehr Platzbedarf und mehr Zeitaufwand. Es ist traurig zu sehen, wie viele Hunde allein in einer Woche dazu kamen. Aber ich bin froh, dass Elke mit ihrem Verein dieses Tierheim halten konnte. Denn überall dort, wo es eine solche privat geführte Einrichtung nicht gibt, werden Tötungsstationen eröffnet. Und die will niemand!!!
Man muss bedenken: Sobald sich in Campulung Anwohner über einen Straßenhund beschweren, ist das Tierheim Asociatia Anima verpflichtet es schnellstmöglich abzuholen. Und auch das kommt leider sehr häufig vor.
Spendeneinsatz: Ein Kofferraum voller Futter
Bevor wir nach Rumänien fuhren, kamen in meinem Freundes- und Bekanntenkreis immerhin 300 Euro Spendengelder zusammen. Nach unserem Tierarzt-Besuch machten wir noch Halt im hiesigen Supermarkt, um das Geld zu investieren. Futter sollte es werden, denn das ist immer viel zu schnell leer. Nachschub wird ständig benötigt. Also räumten wir den Laden kurzerhand leer. Drei Einkaufswagen voll, mehr gab es leider nicht : D
Wir haben uns gefreut und die Futterration ins Auto geladen. Angesichts der 900 Hunde im Tierheim ist das natürlich ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber wie sagt man so schön „Kleinvieh macht auch Mist“. Jedes Kilogramm zählt! Und jede Dose macht wieder einen Hund wenigstens rund einen Tag lang satt.
Hier ein Foto der Rechnung über das Futter. Schließlich will ich gerne bescheinigen, dass hier alles mit rechten Dingen zuging : ) Das Futter kostete 806 Lei, was rund 181 Euro entspricht.
Das restliche Spendengeld in Höhe von rund 119 Euro habe ich in die aktuelle Tierarztrechnung investiert. Auch hierzu die Rechnung als Bestätigung:
Angekommen im Tierheim verräumten wir einen Teil des Futters im Medi-Bereich, wo wir täglich die kranken Welpen versorgten. Die bekommen auch mal Katzenfutter (ich habe einen Karton davon in der Hand, siehe links), weil sie das besonders gerne mögen und oft eher fressen. Warnhinweis: Umgekehrt geht das nicht: Also bitte Katzen kein Hundefutter geben! Nur damit da keine Missverständnisse entstehen. Der Rest des Futters landete im großen Lagerraum.
Darf ich vorstellen: Unser Campulung-Team
Nach den ersten beiden anstrengenden Tagen in Campulung ging unsere Truppe am Abend gemeinsam Pizza essen. Zuvor noch ein Gruppenfoto gemacht vor unserem Hotel. Eine schöne Erinnerung für jeden von uns : ) Wir waren echt ein tolles Team!
Angekommen im Restaurant redeten wir natürlich angeregt über die vielen Ereignisse des Tages. Es gab so viel zu erzählen. Vor allem weil an diesem Tag auch erst der zweite Teil des Helferteams mit dem Flugzeug ankam. Da gab es Nachholbedarf ; )
Nach der super leckeren Pizza gönnten wir uns noch einen typischen, rumänischen Nachtisch. Ich glaube er nannte sich Papanaşi, was im Deutschen sowas ist wie ein Topfenknödel. (Die Mädels aus unserer Gruppe sollen sich bitte melden, falls ich hier Käse erzähle und ich das verwechsle ; )) Wir haben uns das Ding geteilt und es war trotzdem noch zuviel. Der Teig ist mächtig und die Füllung extrem süß. Aber geschmeckt hat´s, obwohl in Rumänien alles eine gute Ladung fettiger ist als bei uns und man sich daran erst mal gewöhnen muss.
Völlig erschöpft, wohl genährt und mit vielen vielen Eindrücken schlief ich später in unserem Hotel ein und es fühlte sich am nächsten Morgen so an, als hätte ich mich keinen Millimeter bewegt. Ich habe geschlafen wie ein Stein ; )
Im nächsten Teil meines Reiseberichts geht´s dann weiter mit Tag 3 unseres Arbeitseinsatzes. Der dritte Tag war insbesondere von der Arbeit im Lagerraum geprägt. Mit was wir dort so alles konfrontiert wurden, erzähle ich demnächst! Also bleibt dran. Bald geht´s weiter!
Tierheimbesuch Asociatia Anima Rumänien Teil 1: Fahrt nach Campulung
Tierheimbesuch Asociatia Anima Rumänien Teil 2: Der erste Tag in Campulung
Tierheimbesuch Asociatia Anima Rumänien Teil 3: Der erste Tag in Campulung
Tierheimbesuch Asociatia Anima Rumänien Teil 4: Der zweite Tag in Campulung
Tierheimbesuch Asociatia Anima Rumänien Teil 6: Tag 3 in Campulung
Tierheimbesuch Asociatia Anima Rumänien Teil 7: Tag 4 in Campulung
Tierheimbesuch Asociatia Anima Rumänien Teil 8: Letzter Tag in Campulung
Falls ihr zu den Hintergründen meiner Reise und wie es dazu kam mehr erfahren wollt, empfehle ich folgende Artikel:
Vereinsvorstellung „Freundeskreis der Straßenhunde in Campulung“ – Interview Teil 1
Vereinsvorstellung „Freundeskreis der Straßenhunde in Campulung“ – Interview Teil 2
Vereinsvorstellung „Freundeskreis der Straßenhunde in Campulung“ – Interview Teil 3
Vereinsvorstellung „Freundeskreis der Straßenhunde in Campulung“ – Interview Teil 4
Hunde im Ausland – Teil 1 – Situation vor Ort
Hunde im Ausland – Teil 2 – Ehrenamtliche Tierschützer
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