Hundeernaehrung

22.09.17

Ich freue mich sehr euch heute, nach einer längeren Pause bei fello, den ersten Teil eines spannenden Interviews zum Thema Hundeernährung präsentieren zu dürfen. Matina Raisch, Tierärztin und Verantwortliche für Produktentwicklung & Sortiment bei Futterhersteller Wildsterne GmbH hat sich bereit erklärt zahlreiche Fragen, die mir in Sachen Hundeernährung schon lange auf den Nägeln brennen, zu beantworten. Viel Spaß beim Stöbern!

1. Hundehalter sind aufgrund des riesigen Angebots an Futter oft verunsichert. Bitte schildern Sie meinen Lesern zunächst unabhängig davon, ob es sich um Nass- oder Trockenfutter handelt, welche Bestandteile für eine artgerechte Ernährung des Hundes elementar sind.

Grundsätzlich kann man sagen, dass für ein artgerechtes Hundefutter Proteine (also tierische Bestandteile), Fette, Kohlenhydrate, Faserstoffe sowie Mineralstoffe, Vitamine und Spurenelemente elementar sind.

Ein artgerechtes Futter sollte aus meiner Sicht auf jeden Fall tierische Bestandteile enthalten, auch wenn eine bedarfsdeckende, vegane Ernährung von Hunden theoretisch möglich ist. Da der Hund jedoch grundsätzlich ein Fleischfresser ist, kann ich eine vegane Ernährung für Hunde nicht empfehlen.

Bei kommerziellem Futter sollte der Besitzer auch unbedingt auf die Kennzeichnung als Alleinfutter achten. Ein Alleinfutter muss bestimmte Kriterien erfüllen, die gewährleisten, dass der Hund mit seiner täglichen Futterration auch alle Nährstoffe erhält, die er für ein langes und gesundes Leben benötigt. Neben Alleinfutter gibt es auch die Kennzeichnung „Ergänzungsfutter“. Diese Futter müssen keine speziellen Kriterien erfüllen.

Ein Alleinfutter hat z.B. immer ein angemessenes Calcium-Phosphor-Verhältnis von 1:1 bis 2:1. Dagegen habe ich schon ein Ergänzungsfutter gesehen, das ein Calcium-Phosphorverhältnis von 1:700 hatte. Tiere, die über einen längeren Zeitraum mit einem solchen Futter ernährt werden, können schwere gesundheitliche Schäden davontragen.

Viele Besitzer wünschen sich auch ein Futter ohne Zusatzstoffe – dies sei ja natürlicher und somit gesünder. Doch in aller Regel kann ein Trocken- oder Nassfutter ohne Zusatzstoffe nicht den Bedarf des Hundes an allen Mineralstoffen, Vitaminen und Spurenelementen decken. Daher sollte bei jedem Futter ohne Zusatzstoffe immer besonders genau auf die Deklaration geschaut werden.

2. Welchen Fleischanteil beziehungsweise Anteil an tierischen Bestandteilen empfehlen Sie?

Das kann ich so pauschal nicht beantworten. Der optimale Anteil tierischer Bestandteile ist abhängig von vielen Faktoren. Handelt es sich um Trockenfutter oder selbst gekochte Rationen? Wird mageres Putenfleisch oder fettes Rinderhack, ganzer Fisch oder pures Fischfilet verwendet. Wie ist der Ernährungszustand des Hundes, ist er im Wachstum oder ausgewachsen? Leidet der Hund unter Erkrankungen, beispielsweise einer Lebererkrankung oder Diabetes mellitus? Soll er dieses Futter täglich oder nur ab und an bekommen. All diese sind essentielle Fragen für die Rationsgestaltung.

Ich persönlich halte tatsächlich auch gar nicht so viel von einem überaus hohen Fleischanteil, wie er gerade im Trend liegt. Fleisch ist der Proteinlieferant im Futter. Wird viel Fleisch verwendet, ist auch viel Protein enthalten. Viel Protein ist jedoch nicht unbedingt auch gut für jeden Hund. Beim Eiweißstoffwechsel im Körper entsteht Ammoniak, der von der Leber abgebaut und über die Niere ausgeschieden wird. Es ist also verständlich, dass gerade bei Leber- und Nierenerkrankungen der Proteinzufuhr eine besondere Bedeutung zukommt.

Außerdem kann sich der Proteingehalt einer Ration auf das Verhalten von Hunden auswirken. Ein hoher Proteingehalt in Kombination mit wenigen Kohlenhydraten wirkt sich negativ auf den Serotoninspiegel im Gehirn aus. Serotonin ist ein Botenstoff, der Impulsivität, Aggression und Angst dämpft, den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert und ausgleichend auf die Stimmung wirkt. Somit ist bei Hunden, die zu Verhaltensauffälligkeiten neigen der Proteingehalt einer Ration ebenso von großer Bedeutung. Verschiedenen Studien bestätigen, dass sogar allein die Futterumstellung auf eiweißarme und kohlenhydratreiche Rationen das aggressive Verhalten von Hunden reduziert! Ich persönlich achte daher tatsächlich nicht so sehr auf die deklarierte Menge Fleisch sondern auf die enthaltene Menge Protein. Für meinen Hund ist einen Proteingehalt von etwa 20% im Trockenfutter ideal. Auch bei der Entwicklung der Wildsterne Breed Selection Produktlinie habe ich daher Wert auf eine moderate Proteinversorgung gelegt.

Bei selbstgekochten Rationen für einen gesunden und ausgewachsenen Hund sollten proteinreiche Futtermittel (also Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Ei und tierische Nebenprodukte) etwa 35-45% der Ration ausmachen.

Bei Trockenfutter ist die Beurteilung schwieriger, da hier zunehmend “Frischfleisch” deklariert wird. Dies ist möglich, wenn bei der Herstellung frisches Fleisch zugegeben werden kann, das erst im Herstellungsprozess getrocknet und gemahlen wird. Da gesetzlich vorgeschrieben ist, alle verwendeten Rohstoffe mengenmäßig in absteigender Reihenfolge zu deklarieren, steht das frische Fleisch dann aufgrund des hohen Wassergehaltes oft an erster Position der Zusammensetzung. Das Futter erweckt so den Anschein, als wäre es besonders reich an Fleisch. Wichtig ist jedoch, dass Frischfleisch viel Wasser enthält, das im Trocknungsprozess verloren geht. Ein Trockenfutter, das z.B. 70% Frischfleisch enthält entspricht daher in etwa einem Trockenfutter, dass ca. 20-25% Fleischmehl enthält. Ich halte daher die Deklaration des Fleisches in bereits getrockneter und gemahlener Form für transparenter. In Wildsterne Trockenfutter verarbeiten wir aus diesem Grund auch kein frisches Fleisch. Somit liegt das Fleisch bereits in getrocknetem und gemahlenem Zustand, genauso wie z.B. der Anteil an Kartoffeln.

3. Gibt es Ihrer Meinung nach Fleisch- und Fischsorten, die besonders gut verträglich sind beziehungsweise raten Sie von gewissen Sorten ab?

Auch diese Frage ist schwer zu beantworten, denn ähnlich wie beim Fleischanteil spielen viele Faktoren eine Rolle für die Auswahl der Fleischsorte.

Die verschiedenen Fleisch und Fischsorten lassen sich schwer über einen Kamm scheren. Was ihnen gemeinsam ist, ist der hohe Anteil an Eiweiß. Der zweite große Bestandteil ist Fett – aber auch der Fettgehalt schwankt stark, weshalb nicht jede Fleisch- oder Fischsorte für jeden Hund gleich gut geeignet ist. Eine ideale Schonkost für einen nicht allergischen Hund kann z.B. aus Hüttenkäse, magerem Geflügelfleisch und weich gekochtem Reis bestehen. Für einen Schlittenhund wäre eine solche Ration natürlich nicht geeignet. Hier würde man eher fettes Rinderhack als Fleischsorte verwenden.

Außerdem spielt natürlich die individuelle Verträglichkeit eine wichtige Rolle. Es ist nicht so, dass Hunde per se spezielle Fleischsorten nicht vertragen. Schaut man sich die vielen Studien zu Futtermittelunverträglichkeiten an, stellt man fest, dass manche Hunde z.B. kein Rind vertragen, andere kein Huhn, Lamm, Ei oder Fisch. Es kommt eben immer darauf an, ob ein Hund in seinem bisherigen Leben schon für eine bestimmte Fleisch- oder Fischsorte sensibilisiert wurde.

Auch spielt bei mir z.B. der Tierschutzaspekt eine wichtige Rolle für die Fleischauswahl. Daher würde ich selbst kein Hundefutter mit Kaninchen kaufen, da ich einige sehr unschöne Berichte über die Kaninchenmast gesehen habe. Ich will nicht jedes Hundefutter mit Kaninchen verteufeln – vielleicht gibt es auch hier Hersteller, die eine artgerechte Kaninchenmast gewährleisten können. Dazu müsste man sich bei den einzelnen Herstellern informieren, was ich nicht getan habe. Und wäre mein Hund auf alles andere allergisch, müsste ich eben auch auf diese Fleischsorte zurückgreifen.

Neben Fleisch sind auch ganze Fische im Futter wertvoll, da sie z.B. gesunde Omega-3-Fettsäuren enthalten. Aber Vorsicht: Fisch soll immer gekocht werden, um Bakterien, Parasiten und Thiaminasen unschädlich zu machen. Außerdem können Hunde zum Leidwesen ihrer Besitzer auch Fischgeruch annehmen, wenn sie täglich Fisch bekommen.

4. Was darf neben Fleisch im Hundefutter nicht fehlen?

Neben proteinreichen, tierischen Bestandteilen sind Kohlenhydrate, Fette, Ballaststoffe bzw. Faserstoffe sowie eine ausgewogene Menge an Vitaminen und Mineralien essentiell für ein artgerechtes Hundefutter.

Öle und Fette versorgen den Körper mit Omega-3 und Omega-6 Fettsäuren, liefern fettlösliche Vitamine und dienen als Energiequelle sowie Geschmacksträger.

Kohlenhydrate sollten in einem Hundefutter auch nicht fehlen. Sie sind optimale Energielieferanten und dienen als Ballaststoffquelle. Bis zu einer gewissen Menge in der Ration können Hunde Kohlenhydrate gut verdauen. Zu große Mengen an Stärke führen dagegen zu Durchfall. Wichtig ist jedoch, dass Kohlenhydrate vor der Fütterung durch Hitze aufgeschlossen werden.

Daneben muss ein Hundefutter immer auch Faserstoffe (Ballaststoffe) enthalten. Viele Besitzer fragen sich, was Zellulose oder Rübenschnitzel in Hundefutter verloren haben. Doch bei der Ernährung des Hundes spielen Faserstoffe eine wirklich wichtige Rolle! Faserstoffe können nach ihrer Löslichkeit in zwei Gruppen eingeteilt werden. Unlösliche Fasern (z.B. Zellulose) regulieren die Darmmotorik und sind unverzichtbar für eine gesunde Darmfunktion. Ein Mangel an unlöslichen Faserstoffen führt schnell zu Verstopfungen. Daneben gibt es lösliche Fasern (z.B. Pektine, FOS). Diese fördern die natürliche Darmflora im Dickdarm wodurch z.B. der Lebensraum für unerwünschte Darmkeime verringert wird und Schleimhautzellen des Dickdarms unterstützt werden.

 

Das waren meiner Meinung nach bereits einige super interessante Antworten und nützliche Informationen, wenn es darum geht, Hunde gesund zu ernähren. Im zweiten Teil geht es dann weiter und ihr erfahrt unter anderem was sich hinter der Bezeichnung „tierische Nebenerzeugnisse“ verbirgt, ein Begriff den jeder aufmerksame Hundehalter auf den Futterverpackungen schon gelesen hat und immer wieder für Diskussionen sorgt.

 

Interview zur Hundeernährung mit Tierärztin Matina Raisch – Teil 2

Interview zur Hundeernährung mit Tierärztin Matina Raisch – Teil 3

Interview zur Hundeernährung mit Tierärztin Matina Raisch – Teil 4

RaischProfil Matina Raisch (Tierärztin)

Matina Raisch hat ihr Studium der Veterinärmedizin an der LMU München gemacht, verfügt über die „Zusatzbezeichnung Verhaltenstherapie“, dir ihr von der Bayerischen Landestierärztekammer verliehen wurde. Sie arbeitete mehrere Jahre in eigener Praxis für Tierverhaltenstherapie in Erding. Seit 2013 ist sie als Tierärztin für die Wildsterne GmbH mit Sitz in München für Product & Category Management, Produktentwicklung sowie Leitung des Kundenservice verantwortlich. Wer mehr über Frau Raisch erfahren möchte, kann hier weiterlesen. 

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